Frühwarnungen

 

Frühwarnungen
Die deutschen Frühwarnhinweise sind an exportorientierte Wirtschaftsunternehmen gerichtete Warnmeldungen der Bundesregierung, die vor Rüstungsprojekten und Beschaffern warnen sollen.

Diese Frühwarnhinweise erstellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie auf Grund von Erkenntnissen deutscher Behörden und Dienste, um sie dann über die jeweiligen Industrie- bzw. Wirtschaftsverbände zur Verfügung zu stellen.

Die deutschen Frühwarnhinweise

Im Rahmen diverser Ermittlungsverfahren wegen Außenwirtschaftsverstößen stellte man Ende der 80er Jahre fest, dass es neben den spektakulären, vorsätzlichen Proliferationen (z. B. Imhausen) eine Reihe von unbewussten und ungewollten Zulieferungen in sensible Rüstungsbereiche durch deutsche Unternehmen gegeben hat. Harmlos klingende Anfragen mit verschleierten Verwendungszwecken konnten von deutschen Unternehmen nicht als Rüstungszulieferungen erkannt werden. Um dies in der Zukunft zu verhindern, wurden die Frühwarnhinweise ins Leben gerufen, die versuchen, vor möglicherweise sensiblen Proliferationsvorgängen zu warnen.

Frühwarnhinweise

Die in diesen Listen aufgeführten Unternehmen gelten bei deutschen Behörden als (möglicherweise) sensible Beschaffer oder als Rüstungsunternehmen. Der Bereich der Rüstungsproduktion ist hierbei weit gezogen, so dass sowohl konventionelle Rüstungsbereiche erfasst werden als auch Beschaffer und Rüstungsunternehmen, die in die Herstellung von ABC-Waffen involviert sind.

Dieses System der (informellen) Frühwarnschreiben ist sinnvoll, können diese doch Zulieferungen an sensible Beschaffer bzw. in sensible Projekte vermeiden helfen.

Ein wichtiger Grundpfeiler der deutschen Frühwarnhinweise ist deren informeller Status, der den deutschen Wirtschaftsunternehmen lediglich eine Warnung an die Hand geben soll. Dieser Status wurde zwischen der Bundesregierung und den Wirtschaftsverbänden ausdrücklich vereinbart.

Aktueller Stand der Frühwarnhinweise

Entsprechend der Zusage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, für eine regelmäßige Aktualisierung der Frühwarnhinweise zu sorgen, hat es aktuell viele Veränderungen gegeben. Neben neuen Frühwarnungen wurden viele ältere Frühwarnhinweise für ungültig erklärt.

Derzeitige Entwicklung

Derzeit kann festgestellt werden, dass es spürbare Probleme mit dem informellen Status der Frühwarnhinweise gibt, seitdem die Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften in letzter Zeit vermehrt versuchen, die Frühwarnhinweise in Ermittlungsverfahren zu nutzen.

Bei einer Lieferung an einen in der Frühwarnliste genannten Kunden entsteht schnell der Verdacht von Vergehen gemäß Artikel 4 EG-Dual-Use-VO sowie § 5d AWV, und es wird versucht festzustellen, ob die betroffenen Unternehmen entsprechende Kenntnisse hatten.

Rechtliche Bewertung

Der Gesetzgeber regelt in der EG-Dual-Use-VO und der AWV, dass in bestimmten Fällen eine Genehmigungspflicht dann entstehen kann, wenn der Ausführer positive Kenntnis von bestimmten Sachumständen (z. B. "militärtechnische Verwendung" bei Artikel 4 Abs. 2 EG-Dual-Use-VO bzw. “nukleartechnische Verwendung” bei § 5 d AWV) erhält.

Somit muss also der Exporteur wissen (im Sinne von positiver Kenntnis), dass der Empfänger bestimmte, z. B. rüstungstechnische Verwendungen mit der Ware anstrebt. Nicht ausreichend ist, dass der Ausführer nur einen diesbezüglichen Verdacht hat, denn der Ausführer hat keine Nachforschungspflicht.

Frühwarnhinweise können aber ausschließlich im Bereich der Verdachtsmomente angesiedelt werden, denn, wie oben beschrieben, sind die Frühwarnhinweise nur als vorsorgliche Warnungen einzustufen, die darüber hinaus keinen Absender und keine Rechtsqualität aufweisen.

Bei der Qualifizierung der Frühwarnhinweise als “rechtlich verbindlich bzw. aussagekräftig” ergäben sich für all die Unternehmen, die Ausfuhrkontrolle ernst nehmen und die Frühwarnhinweise erhalten, weitreichende rechtsstaatlich untragbare Konsequenzen. Dies deshalb, da z. B. das fahrlässige Nichtbeachten/Übersehen zu einer Strafbarkeit führen könnte, wohingegen Unternehmen, die sich nicht aktiv an der Exportkontrolle beteiligen und diese Frühwarnhinweise nicht erhalten oder deren Bezug ablehnen, sich nicht in diese Gefahr begeben würden.

Deshalb vertreten wir die Meinung, dass diesen Frühwarnhinweisen keine rechtliche Wirkung zuzubilligen ist und diese insbesondere keine Kenntnisverschaffung i. S. der AWV bewirken können, da ansonsten "informelle Warnungen", deren Erhalt unter Umständen vom Zufall abhängt, darüber entscheiden würden, ob eine ungenehmigte Ausfuhr vorliegt oder nicht. Auch könnte der nicht seriös Handelnde das Eintreten solcher Rechtsfolgen verhindern, indem er bewusst auf den Erhalt der Frühwarnhinweise verzichtet.

Fazit

Nicht nur wegen der ursprünglichen Vereinbarung des informellen Status, sondern vielmehr aus den vorstehenden Rechtserwägungen heraus können die Frühwarnhinweise keine positive Kenntnis vermitteln. Sie dienen dem Unternehmen (lediglich) als wichtiges und beachtenswertes Hilfsmittel, um unbeabsichtigte Zulieferungen an sensible Beschaffer oder in sensible Projekte zu vermeiden. 

Handhabung der Frühwarnhinweise im Unternehmen

Sofern Kunden in den Frühwarnhinweisen genannt werden, ist besondere Vorsicht angebracht. Zunächst sollte anhand der textlichen Fassung der Frühwarnhinweise versucht werden zu überprüfen, warum der Kunde in den Frühwarnhinweisen genannt wird. Ist die Beschaffungsrichtung des im Frühwarnhinweis genannten Unternehmens zu erkennen, kann häufig schon anhand dieser Benennung festgestellt werden, ob die zu liefernden Produkte in dieses Spektrum passen könnten.
Bei der weiteren Geschäftsabwicklung ist dann darauf zu achten, dass der weitere Geschäftsablauf genauestens schriftlich dokumentiert wird. Die schriftliche Dokumentation ist deshalb so wichtig, um in einer eventuellen Außenwirtschaftsprüfung, die Jahre später stattfinden kann, nachzuvollziehen, welche Schritte unternommen worden sind.

So empfiehlt es sich bei Kunden, die in Frühwarnhinweisen genannt werden, darzustellen, weshalb eine Lieferung an diesen Kunden dennoch unbedenklich war. Z. B. kann es sein, dass das Produktspektrum mit dem Beschaffungsspektrum nicht übereinstimmen. Auch können die zu liefernden Produkte völlig untauglich für eine rüstungstechnische Verwendung sein.

Soweit möglich, sollten Stellungnahmen des vor Ort sitzenden Zwischenhändlers/Vertreters etc. eingeholt werden. Besonders aussagekräftig ist der Besuch von Unternehmensmitarbeitern oder des Vertreters vor Ort, der dann die Angaben des Kunden hinsichtlich des Verwendungszweckes überprüfen kann. Die dann getroffenen Feststellungen müssen unbedingt schriftlich fixiert werden und einer Dokumentation beigelegt werden.
Sofern aufgrund der Recherchen festgestellt werden kann, dass der Kunde in einem sensiblen Land, entgegen seinen Beteuerungen, die bestellten Waren doch für einen rüstungsrelevanten Zweck verwenden will, muss beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ein Ausfuhrgenehmigungsantrag gestellt werden, da der Unternehmer dann positive Kenntnis im Sinne der AWV besitzt. Erhält der Unternehmer im Rahmen seiner Recherchen keine klaren Antworten und hat er die Befürchtung, dass seine Waren rüstungstechnisch verwendet werden könnten, kann es empfehlenswert sein, eine entspreche Anfrage beim Bundeamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu stellen oder auf das Geschäft zu verzichten